Kindheit auf der Alm: Wie einfache Spiele unsere Fantasie und Kreativität entfachten

 

Meine ewig langen Sommerferien mit meinen Geschwistern und teils auch einer Horde Kusins und Kusinen auf unserer Alm waren u.a. dadurch geprägt, dass wir Kinder endlos gespielt haben.

Und dadurch ganz nebenbei unsere Kreativität, Fantasie, unser räumliches Denken und unsere Feinmotorik schulten. Unsere Ausdauer und unsere Sozialkompetenz. Und so ziemlich schnell für alles eine Lösung fanden oder entwickelten. 

Morgens fing es an, als wir aus dem Heubett sprangen. 

Abends hörte es irgendwann auf, als wir wieder hineinhüpften. Dann war ich dran. Mit täglich einer Stunde Geschichtenerzählen im Heu. Alle selbst erfunden und mit täglicher Fortsetzung. Und wir kringelten uns ein vor lauter Gelächter. 

Als Essensaufforderung mittags und abends läutete unsere Mutter einfach an der weitum hörbaren Kuhglocke und wir erschienen, manchmal vor lauter vergessenem Hunger im Galopp.

Und dazwischen?

Dazwischen war unserer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Wir spielten. Wir lachten. Wir lernten. Wir molken Kühe (mit der Hand, versteht sich) und ritten auf Kälbern. Wir kletterten auf Zirmbäume und sammelten alles, was spannend war. 

Herrliche Sommerferien inmitten der Berge vor der Kulisse des Peitlerkofel, Tulln und Gabler. 

Mit meinen beiden jüngeren Geschwistern

Was wir in der Hütte zum Spielen hatten?

Eine winzig kleinen Spielzeugkiste aus Holz mit selbst zugeschnittenen Holzklötzchen von unserem Opa Sepp, darin noch zwei Puppen und einigen Utensilien aus einer Puppenküche, Federballschläger, alte Boccia-Kugeln. Nicht viel mehr, ehrlich gesagt. Und ein Ball, dem wir, wenn wir daneben schossen, über Stock und Stein durch den darunter liegenden Wald nachlaufen mussten in der Hoffnung, dass er unter einem Baum stehenblieb. Anderen hatten wir nämlich keinen. 

Und in der hölzernen Eckbank am Esstisch versteckt eine Menge an Brett- und Kartenspielen, daneben Zeichenblöcke und Stifte und Holzfarben. Dazu Wolle, Strick- und Häkelnadeln und ein Schnitzmesser natürlich. 

Weil wir ja so unglaublich viel Zeit hatten in den sechs bis sieben Ferienwochen dort oben auf der Plose, habe ich sogar die Wattkarten alle nacheinander abgezeichnet und bemalt. Eine tolle Beschäftigung für Hagel-, Sonnenschein-, Regen- und manchmal sogar einige Schneeflockenzeiten. Mehrmals bauten wir sogar einen Schneemann im August. Oder sammelten riesige Hagelkörner. Oder – pscht! – grüne Stinkkäfer

Mit alten Wattkarten lassen sich außerdem Plumpsklos mit Vorhang nachbauen, Kartentürme konstruieren (Achtung: Statik beachten!), man kann sie in Mini-Puzzles zerschneiden oder neu bekleben. Wattkarten-Recycling eben. 

Auch mit den bei uns so genannten „Speckern“, den Glasmurmeln, haben wir viel gespielt. Nicht nur auf  langen Rinnen über die Wiese , sondern auch in Schachteln mit Parcour aus Holzstäbchen und Kartonwegen und Löchern und durch sonstige Spielideen.

Was uns sonst noch gefiel? 

Sachen verkaufen. Selbst bemalte Steine am Wegrand, Kuchenstücke aus unserem Holzofen. Oder einfach an uns selbst alle Lebensmittel, die wir in der Hütte fanden. Mit Wechselgeld natürlich. 

Auch der Mode sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt: gestrickte BH’s (die wir noch lange nicht gebraucht hätten), genähte Haarbänder, Puppenkleider, Holzklötzchen in den Socken als Stöckelschuhe und kreative Unterwäsche. 

Und unser Papi hackte sich tatsächlich einmal eine lange Hose auf dem Hackstock mit dem Beil kurz. Und trug sie dann voller Stolz. 

Uns war tatsächlich nie langweilig und die Ideen sprudelten nur so aus uns heraus. Mit (fast) nichts an Material. 

Hüttenladen

Brettspiele, Würfelspiele, Kartenspiele...

Neben Watten, Mau Mau und anderen spannenden Kartenspielen spielten wir unfassbar gern „Mix Max“, v.a. mit unserer Oma, die diesbezüglich fast noch spielwütiger war als wir. Dabei werden einzelne Körperteile gewürfelt und dann zu verschiedenen Figuren ergänzt. Wir hatten es als Menschen- und Tierversion, wobei unsere Schwester immer die „Babysitte“ wollte, die Hebamme mit Baby, und dafür auf fast alle anderen Kärtchen verzichtet hätte. Auch die anderen Figuren bekamen von uns Namen: „Tschumpusmonn“, „Fischers Fritze“, „Brillenschlange“ usw. 

Leider ist das Spiel in beiden Varianten seit vielen Jahren in dieser Form vergriffen, weshalb bei uns Jung und Alt immer noch mit unserem alten, vielfach geklebten spielt. 

„Rummikub“ spiele ich immer noch gern, es gehört zu meinen Lieblingsspielen und kann auch super für das Zahlenverständnis verwendet werden. 

Als dritten Favoriten nenne ich „Auf Achse“ nach der gleichnamigen Fernsehserie anno 1900, wo es darum geht, LKW’s mit Frachtpäckchen als Auftragslieferung zwischen Städten in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und Norditalien zu bringen und dabei Geldscheine zu kassieren, Stauwarnungen zu umgehen, Pannen zu bewältigen usw. Sehr cool, dieses Spiel. Wir wussten ganz genau, dass Hamburg in Deutschland ganz oben im Norden ist. Und lernten, dass durch eine geschickte Strategie viele Aufträge gleichzeitig abgehakt werden können. 

Würfelspiele sind natürlich auch immer der Renner. Super auch zum Mitnehmen im Rucksack. Super für spielerisches Wiederholen und Üben von Addition und Subtraktion, 1×1 usw. 

Ob und wie Kinder im Sommer lernen und wiederholen sollen? Ich habe mir in diesem Blogartikel darüber Gedanken gemacht. 

 

Mix Max, im Bild Fischers Fritzes Kopf und Füße

Singen und Lesen wie von Sinnen...

Luis Trenker lässt grüßen...

Ja, bei uns gab es wohl kaum Tage, an denen wir nicht gemeinsam sangen oder zumindest einer von uns. Im Auto auf den 180 Kurven von Brixen bis zu unserer Hütte, weil das von der aufkommenden Übelkeit ablenken sollte, wobei unsere Mami enthusiastisch ständig über die gesamte Strecke neue Lieder anstimmte. Zusammen mit Omas Zaubertrick gegen „Kotzeritis“ im Auto: eine rohe (!) Kartoffel halten. Blöder Trick, hat nie funktioniert! 

Kurzum: Wir sangen, teils mehrstimmig. Laut. Und dazwischen das Muh der Kühe und vielleicht ein Donnergrollen hin und wieder. 

„In die Berg bin i gern…“. Gell, Mami? 

Wie viele Bücher ich wohl oben auf der Alm gelesen habe? Oder Höhenmeter an Büchern? Viele! So viele, dass man sich daran fast mit einem Klettergurt abseilen könnte, vermute ich. 

Unvergessliche Momente. Voller Familie, voller Spaß, voller unverplanter Zeit. Die mich zu der gemacht haben, die ich bin. 

Danke an meine Eltern, Geschwister und alle, die sonst noch hin und wieder dabei waren. 

 

Spielen. 

Die schönste Art zu lernen. 

„Wenn man genügend spielt, solange man klein ist, trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann.“ (Astrid Lindgren)

14 Antworten

  1. Sehr sehr gut geschriebener Artikel. Er weckt Kindheitserinnerungen. Früher war die Welt noch anders und heil, einfach in Ordnung! Man erinnert sich sehr gerne zurück.

      1. Sehr schön wiedergegebene Erfahrung, man spürt den Enthusiasmus, die Freude, ich kann mir eure Zeit beim Lesen dieser Zeilen gut vorstellen.

  2. Toller Beitrag! Erinnert mich sehr an meine eigene Kindheit. Wir hatten die Möglichkeiten nicht, die Kinder heutzutage haben, bzw. es gab sie gar nicht. Kein Handy, keine Tablets und Computerspiele, keine „Freundschaften“ über Social Media Kanäle…wir mussten uns jeden Tag neue Spiele ausdenken und unsere Sozialkompetenz im täglichen Miteinander erlernen. Wir haben uns mit Pfeifen verständigt, wenn wir zu weit auseinander waren und Rufe im Nichts verhallt wären…wir haben mit Spielzeug (nicht Ce-konform!) gespielt, sind mit selbst gebastelten Fahrzeugen über Strassen runtergerast, haben Baumhäuser gebaut, ….und leben immer noch…..Aber auch die heutigen Möglichkeiten haben viele gute Seiten und es ist gut so. Ich denke, es gilt, die richtige Balance zu finden und die vielen guten Dinge von „gestern“ mitzunehmen, damit es letztendlich nicht zu einer Überforderung führt, aber vor allem auch Vereinsamung und Egoismus des Individuums…

    1. Vielen Dank für dein wertvolles Feedback, liebe Andrea! Ich denke auch, dass es auch heute viele tolle Möglichkeiten für Spiele und Kreativität gibt.

  3. iatz hon i a die zeit gefunden zu lesen 🫠….na hon i geschmunzelt ban lesen und schmunzel olliweil no do kemmen erinnerungen auf …hosch gonz vergessen dass du insere lehrerin sem schun worsch 😂😂mega …des kennen die kinder von heint ibohaup nimma ….olle miassn olls hobm und mir olle sein net viel bessa 🫶🙈
    richtig sponnend wors super claudia

  4. Ein wahrlich schönes Platzl dort oben, zu beneiden, wer so eine Kindheit verbringen durfte. Danke Claudia für diese schöne Erzählung. Wir haben uns zwar erst etwas später kennengelernt, aber die Alm war und wird immer magisch bleiben und unsere Herzen erfüllen.

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