Mein 12. November 2022: Assisi

Ich hab’s getan. 

Am 12. November 2022.

Allein mit dem Rucksack in Richtung Assisi

Die Rucksackreise ist schon seit Jahren mein Traum.

Ein Stück „Camino“-Pilgern seit vorigem Jahr, seit meine „Camino“-begeisterte Freundin auch in mir dieses Feuer entzündet hat.

Dass ich mit Assisi und einer einzigen Etappe des Franziskusweges in Umbrien/Mittelitalien starten möchte, weiß ich allerdings erst seit drei Wochen. Angefangen mich einzulesen habe ich auch schon. 

Es lässt mich nicht mehr los.

Drei Tage vor dem Start...

Es ist spät.

Sehr spät. Schon ziemlich mitternachtsspät.

Ich mach’s jetzt einfach.

Zeitlich ist es an diesem Wochenende möglich. 

Zug buchen. Unterkunft buchen. App „Gaia GPS“ aufs Handy laden. 

Wohin ich gehen will? Von Foligno nach Assisi. Letzte Etappe der Südroute. 

Das ist der Plan. Mal so zum Anfangen.

Wie gut, dass jetzt Nebensaison ist.

Ich suche nämlich die Stille und möglichst wenige Leute.

Und wie gut, dass der 12. November genau auf die allererste „Camino“-Etappe meines Lebens fällt. Zufall?

Mein 12. November 2022: Assisi, ich komme...

Frage 1 vor dem Start: Passt der Rucksack? Alles dabei?

Meiner wiegt ca. 8 kg plus Wasserflasche. Das geht, finde ich, weil ich ja mitten im November auch für die Kälte gerüstet bin. Gar nicht schlecht für den Anfang. 

Hier findest du übrigens ein nützliches Tool für Rucksack- und Pilgerreisen, eine Packliste inkl. digitaler Gepäckwaage.

Ich habe mich zuhause allerdings ganz klassisch mit und ohne Rucksack auf die Waage gestellt. 

Mein Rucksack, leider schon geleert. Beim nächsten Mal mache ich ein Foto in gefülltem Zustand.
Der Tag beginnt im Sinne des Heiligen Franziskus tierisch. Sieben Katzengeschwister freuen sich auf den neuen Tag wie ich. Nachgezählt? Stimmt, eine ist kurz entwischt beim Knipsen.
Meine Tagesetappe beginnt nicht wie geplant in Foligno, sondern direkt im wunderschönen umbrischen Städtchen Spello. So erspare ich mir einige Kilometer Straße mit nichts Besonderem.Die Leute hier sind allesamt sehr hilfsbereit und herzlich.
Wie schön! Ein altrömisches Aquädukt. Mein Lateinlehrerinnen-Herz pocht.
Ich möchte eine längere Tour über den Monte Subasio und durch einen Naturpark machen. Allerdings werde ich unterwegs von einem Jäger aufgehalten, der sich Sorgen macht, dass ich um 4 Uhr wegen der früher einsetzenden Dunkelheit irgendwo in der Pampa die Carabinieri rufen und mich retten lassen muss. So nehme ich das Angebot Jäger-Taxi schließlich an und lasse mich auf den 1300 m (!) hohen Gipfel fahren. EIn bisschen geschwindelt also. Pscht, nicht weitersagen...
Auf dem Weg zwischen dem Monte Subasio und Assisi liegt ein weiteres Ziel: die Einsiedelei "Eremo delle Carceri", ein uriges Felsenkloster. Dorthin hat sich Franziskus mit seinen Freunden und Mitbrüdern oft zurückgezogen. Der dort stehende Olivenbaum stammt angeblich noch aus seiner Zeit. In der Kapelle nehme ich mir Zeit zum Gebet und zum Gedankensortieren.
Diese Höhle diente als Unterschlupf für Bruder Rufino. Ich würde darin im Liegen kaum Platz finden. So sieht Minimalismus aus, auch im Raumangebot.
Fast angekommen! Insgesamt werden es an diesem meinem ersten Camino-Tag trotz Berg-Taxi immerhin noch ca. 13 Kilometer. Wie lange ich dafür gebraucht habe? Keine Ahnung. Ist auch nicht wichtig.
Pax et bonum... ja, das wünsche ich uns allen.
Das ist sie: die Basilika des Hl. Franziskus Sie besteht aus einer Oberkirche mit hohem Gewölbe und einer Unterkirche. Meine neue Lieblingskirche ist die untere, die sich so gemütlich anfühlt wie ein religiöses Wohnzimmer. Und diese Stimmung scheinen alle zu spüren. Richtig familiär.
Und das ist die viel besuchte Krypta, die mich innerlich sehr bewegt. Hier liegt Franziskus begraben,Franciscus de Assisio auf Latein. Geboren 1182 in Assisi als Giovanni di Pietro di Bernardone, den sein Vater wegen seiner Liebe zu Frankreich kurzerhand in Franciscus ("kleiner Franzose") umbenannte. Wohlhabend aufgewachsen als Sohn eines Kaufmannes lebte er zunächst unbekümmert und ausschweifend, sagte sich aber dann von allem los. Er begründete den Orden der Franziskaner. Die Heilige Clara war eine gute Freundin von ihm, für sie gründete er einen Frauenorden.
Menschenleere Piazza neben der Basilika mit Kreuzgang

Ausblick und ausnahmsweise noch weitere Fotos, weil’s so schön war…

Sonntagmorgen. 6 Uhr. Punkt.

Ich sitze da. Ganz allein.

In der Krypta des Hl. Franziskus, wo ich gestern schon war mit andächtig betenden Pilgerströmen, Nonnen und Klosterbrüdern aus allen möglichen Orden, zu erkennen an ihren unterschiedlichen Ordenstrachten.

Allein.

Was für ein Glück, dass ich diese Zeit hier ganz allein erleben darf.

Ich sitze und schweige.

Bete.

Denke nichts und lasse mich tragen.

Bin zutiefst dankbar für all das Gute, das es in meinem Leben gibt trotz aller Herausforderungen.

Fühle mich angekommen und spüre unsere Kinder ganz nahe bei mir.

Alles ist gut.

Alles wird gut.

 

Danach geht’s zu Fuß zur „Porziuncola“, einer winzigen Felsenkirche innerhalb der Basilika „Santa Maria degli Angeli“ außerhalb der Stadtmauern, die man unbedingt gesehen haben muss.

Ich erreiche sie von der Franziskusbasilika nach ca. 40 Minuten auf einem wunderschönen Weg, der „Via Padre Giovanni Principe“. Er ist auf der gesamten Strecke mit Tonziegeln gepflastert, die die Namen von Gläubigen tragen und die auch „La Strada Mattonata“, die geziegelte Straße, genannt wird.

PAX et BONUM. PACE e BENE.  FRIEDEN und GUTES. So ist es.

Anschließend wandere ich durch Olivenhaine weiter zum Kirchlein „San Damiano“. Dort erhielt Franziskus von Gott den Auftrag, die Kirche zu erneuern, was dieser zunächst wortwörtlich auffasste, weshalb er hier auch tatsächlich die Ruine wieder aufbaute.

Mit einer jungen und sehr glücklich aussehenden Nonne namens Graziella führe ich ein anregendes Gespräch im Kreuzgang. Ich frage sie, ob sie mir erzählt, wie sie den Ruf Gottes gespürt hat. Und sie erzählt. Mit einem Strahlen in den Augen. Von unendlicher Liebe, die sie seit damals spürt, auch wenn sie dem Ruf erst nach 5 Jahren gefolgt ist. Auch wenn das Leben trotz dieses inneren Feuers nicht einfach ist.

Ich besuche noch einige weitere Kirchen, darunter die der Heiligen Clara, und lasse mich durch Assisi und seine verwinkelten Gassen treiben. Und ich kaufe für alle zuhause kleine Franziskuskreuze aus Olivenholz an Lederbändchen.

Übrigens: 2,5 Messbesuche innerhalb von 18 Stunden gab es noch nie vorher in meinem Leben. 

PAX et BONUM. PACE e BENE. FRIEDEN und GUTES.

Das atemberaubende Innere der "Porziuncola"

Fazit...

Es war ergreifend.

Es war stärkend.

Es war still-end.

Und es bleibt unvergesslich

 

Franziskus, du Natur- und Vogelfreund, du Umweltschützer der ersten Stunde, du Verfechter des Friedens, du Minimalist und Zufriedener, du Idealist, ich danke dir.

Du möchtest wissen, was bei mir am 12. September 2022 los war? Oder im August 2021, als ich mit dem Bloggen begonnen habe? Bist du neugierig auf meinen Jahresrückblick  2021?

Welche Gedanken mir im heurigen Sommer beim Gehen in den Bergen so gekommen sind?

Mit mir einen kurzen Exkurs unternehmen in die Welt der Wahrheit und Wahrhaftigkeit? Oder in die philosphische Welt der Zahlen?

Oder du fragst dich, warum der innere Schweinehund auch lieb sein und uns sogar helfen kann?

Vielleicht interessiert es dich aber auch, wie du das Selbstwertgefühl bei Kindern, Jugendlichen und auch bei dir selbst stärken kannst…

Viel Spaß beim Lesen…

Wohin mich meine Füße wohl beim nächsten Rucksackabenteuer tragen werden? Mein Traum wäre es, unsere Kinder dafür zu begeistern...

4 Antworten

  1. Liebe Claudia, danke fürs Mitnehmen! Ich kann gut nachvollziehen, wie besonders der Weg alleine nach Assisi und der Aufenthalt für dich waren. Jetzt plötzlich denke ich: Das möchte ich auch mal machen!
    Herzliche Grüße und Pax et Bonum!
    Wiebke

    1. Freut mich, Wiebke, dass dir das Mitgehen Spaß gemacht hat. Mach es unbedingt! Träume sind zum Verwirklichen da! Alles Liebe an dich und deine Familie…

  2. Vivo a Spello vicino Assisi. Conosco bene il Monte Subasio e ho visitato molte volte Assisi ma non sono mai riuscito a „vedere“ ciò che invece è apparso nitido alla nostra relatrice. Lei si era preparata bene ad accogliere nel suo cuore le sensazioni che ha vissuto di persona, che l’hanno arricchita e resa felice. Un viaggio che non dimenticherà. Brava Claudia

    1. Ciao Riccardo, grazie per il tuo commento e soprattutto per il passaggio sul Monte Subasio. É stato un piacere conoscerti. Assisi e i suoi dintorni mi hanno toccato il cuore profondamente e sono sicura di ritornare…

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